Mittwoch, 4. April 2012

Die Vermögensfrage: Änderungen von Festzins-Krediten bergen viele Probleme

Ein FAZ Artikel von Volker Looman, Reutlingen

Wenn Anleger ein Darlehen vorzeitig ablösen, verweigern Banken in der Regel die Erstattung alter Margen. Alternative Sparverträge sind keine Lösung.
© Kai
Der Umtausch von Krediten mit Festzins ist eine heikle Geschichte. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren Entscheidungen verbindliche Vorgaben gemacht, wie bei der vorzeitigen Ablösung von Darlehen zu rechnen ist. In den Entscheidungen ging es in erster Linie um die Frage, wie bei vorzeitiger Rückzahlung zu rechnen ist. Offen geblieben sind bis heute aber triviale Störungen, wie sie jeden Tag im Kreditgeschäft vorkommen. Mal lehnen die Banken die Umstellung bestimmter Darlehen aus Prinzip ab, mal legen sie Abrechnungen vor, welche die Kunden nicht verstehen.
So verzwickt die einzelnen Fälle in juristischer Hinsicht sein mögen, so einfach sind die Probleme aus Sicht der Finanzmathematik, weil es bei der Änderung von Krediten nur zwei Typen gibt. Die erste Gruppe umfasst Ablösungen aller Art. Dazu gehören Nichtabnahme, Sondertilgung, Ratenwechsel und Vollablösung. Hier wollen einzelne Anleger vom Kreditvertrag zurücktreten, oder die Investoren wollen die Darlehen auf einmal teilweise oder ganz ablösen.

Nominalzins heute nur noch 3,5 Prozent pro Jahr

Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um Kunden, welche die Kosten ihrer Verbindlichkeiten bereits vor Ablauf der regulären Zinsbindung neu festlegen möchten. Entweder sitzen sie auf Krediten mit hohen Nominalzinsen und ärgern sich darüber, dass die Zinsen in der Zwischenzeit gesunken sind, oder sie haben die Sorge, dass die Zinsen in Zukunft ansteigen werden. In diesen Fällen sollen die Darlehen nicht abgelöst, sondern die Zinsen sollen frühzeitig in günstigere Konditionen umgetauscht werden. Hier gibt es in der Praxis besonders viel Ärger, weil sich bisher nur wenige Fachleute mit der Frage beschäftigen, wie die Herausgabe alter Margen korrekt berechnet werden soll.
In diese Kategorie fällt zum Beispiel ein Privatmann, der vor drei Jahren ein Eigenheim gekauft und dafür eine Hypothek von 250.000 Euro aufgenommen hat. Der Kredit wurde zum Kurs von 100 Prozent eingedeckt. Der Nominalzins beträgt 4,5 Prozent pro Jahr. Die Tilgung liegt bei 2,7 Prozent zuzüglich ersparter Zinsen. Der Anleger hat bisher 36 Raten von jeweils 1500 Euro bezahlt, so dass die Restschuld im Laufe der Zeit auf 228.000 Euro gesunken ist. Der Zinssatz gilt noch sieben Jahre.
Der Immobilienbesitzer beschäftigt sich mit zwei Problemen. Er ärgert sich, dass der Nominalzins für Hypotheken mit langer Zinsbindung, beispielsweise 15 Jahre, heute nur noch 3,5 Prozent pro Jahr beträgt. Die Gespräche mit der Bank über eine kostengünstige Zinssenkung sind im Sande verlaufen. Jetzt treibt den Anleger die Furcht um, dass der Nominalzins in der Zukunft wieder ansteigen wird, so dass die Gefahr besteht, den bestehenden Kredit in sieben Jahren wieder zu 4 oder 5 Prozent verlängern zu müssen. Daher interessiert er sich für die baldige Umschuldung des Darlehens.

Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung zu hoch

Die Bank möchte von diesen Überlegungen freilich nicht viel wissen. Sie pocht auf die Einhaltung des Kontrakts. Der offene Zahlungsstrom besteht aus 84 offenen Monatsraten von jeweils 1500 Euro und der Restschuld von 165.000 Euro am Ende der Zinsbindung. Wenn der Vertrag vorzeitig aufgelöst wird, sind nach Mitteilung der Bank rund 26.000 Euro zu bezahlen. Die neue Anlage bringt im Durchschnitt noch 2,5 Prozent pro Jahr. Der Barwert der offenen Tilgungen liegt bei 254.000 Euro, so dass die Differenz zur Restschuld von 228.000 Euro rund 26.000 Euro beträgt.
Das Kreditinstitut hat die Vorfälligkeitsentschädigung zu seinen Gunsten berechnet. Es hat unterstellt, dass der Anleger den Kredit vollständig ablösen wird. Davon war in den Gesprächen kurz die Rede, weil der Darlehensnehmer auf die besseren Konditionen der Konkurrenz verwiesen und vorlaut über eine Abwanderung nachgedacht hatte. Doch nun möchte der Investor der Bank treu bleiben und würde den Kredit gerne zu 3,5 Prozent pro Jahr verlängern.
Vor diesem Hintergrund ist die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung zu hoch. Der Grund liegt in der doppelten Marge in der Zukunft. Das bestehende Darlehen und der Nominalzins von 4,5 Prozent pro Jahr enthalten einen Gewinn. Genauso verhält es sich bei der Prolongation. In den künftigen 3,5 Prozent pro Jahr steckt ebenfalls eine Zinsspanne, so dass der Unternehmer sieben Jahre zweimal zur Kasse gebeten werden würde, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung bei 26.000 Euro stehen bliebe.

Keine zweite Branche, in der Margen so transparent sind

Fair wäre der Ansatz, den Wiederanlagezins von 2,5 Prozent um die historische Marge zu erhöhen und den restlichen Zahlungsstrom mit 2,5 plus x Prozent abzuzinsen. Dadurch fällt der Barwert, und die Höhe der Entschädigung sinkt. So einfach die Berechnung der neuen Entschädigung ist, so schwierig ist die Umsetzung aber in der Kreditpraxis. Die meisten Institute wehren sich mit allen Mitteln gegen die Erstattung alter Margen. Die Banken tun sich mit dieser Haltung freilich keinen Gefallen.
Es gibt keine zweite Branche, in der Gewinne und Margen so transparent sind wie im Kreditgewerbe. Es genügt ein Blick in die Zinsdatenbank der Deutschen Bundesbank, um zu sehen, wo der Rentenmarkt vor fünf Jahren stand. Daraus lässt sich die Marge ableiten, die in der Regel zwischen 50 bis 100 Basispunkte beträgt. Wenn die Bank zum Beispiel eine Altmarge von 100 Basispunkten erzielt, müsste der Wiederanlagezins von 2,5 auf 3,5 Prozent steigen. Dadurch würde die Entschädigung auf 13.000 Euro fallen.
Fatal ist freilich, dass sich auch die faire Auseinandersetzung für den Eigenheimer nicht rechnet, wie ein Blick hinter die Kulissen zeigt. Der bestehende Zahlungsstrom fordert bis zum Ende der Zinsbindung noch 84 Raten zu jeweils 1500 Euro. Danach muss der Preis für den Saldo von 162.000 Euro neu ausgehandelt werden. Sollte der Preis bei 4 Prozent liegen, würde die Schuld mit Hilfe weiterer Monatsraten von jeweils 1500 Euro im Laufe der folgenden (acht) Jahre auf 58.000 Euro sinken. Folglich besteht die komplette Zahlungsreihe - aus heutiger Sicht - aus 180 Raten zu 1500 Euro und einer Schlusszahlung von 58.000 Euro.

Sitzenbleiben auf hohen Zinsen kann die bessere Lösung sein

Sollten die 180 monatlichen Raten auf das neue Darlehen übertragen werden, das nur 3,5 Prozent kostet, wird die Schlussrate auf 31.000 Euro sinken. Das sieht zwar auf den ersten Blick toll aus, doch dieses Ergebnis ist nur mit Hilfe einer Strafrate von 13.000 Euro erreichbar. Wenn dieser Betrag in die alternative Zahlungsreihe eingefügt wird, steigen die Kosten so stark an, dass der niedrige Endwert im wahrsten Sinne des Wortes verglüht. Der Effektivzins klettert von 3,6 auf 4,4 Prozent, und das ist der gleiche Satz wie bei der aktuellen Finanzierung.
Das heißt im Klartext, dass sich die Umschuldung nur dann lohnt, wenn der Anschlusszins in sieben Jahren deutlich über 4 Prozent liegen wird. Sonst ist die ganze Mühe umsonst. Sollte die Bank die Altmarge nicht erstatten, kann der Privatmann die Sache gleich zu den Akten legen, weil die Kosten viel zu hoch sind. Die beiden Befunde sind für viele Privatleute harte Kost, weil sie sich in der Regel nicht damit abfinden wollen, dass das Sitzenbleiben auf hohen Zinsen die bessere Lösung sein kann. Sie wollen um jeden Preis von den hohen Zinsen herunter, doch dieser Wunsch kann im wahrsten Sinne des Wortes zu Abstürzen führen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Überlegung, einen Bausparvertrag zur Zinssicherung abzuschließen.

Fragen, die in der Regel kaum gestellt werden

Es kommt immer wieder vor, dass Privatleuten der Vorschlag gemacht wird, über die Kreditraten hinaus Geld in neue Bausparverträge zu stecken. Im vorliegenden Fall würde die Bausparsumme rund 165.000 Euro betragen. Mit diesem Betrag könnte die Restschuld der Hypothek in sieben Jahren abgelöst werden. Das Motiv für den zusätzlichen Vertrag ist der Zinssatz von 3,75 Prozent, den die Bausparkasse in Rechnung stellen wird. Er erscheint vielen Privatleuten niedrig. Noch wichtiger ist freilich die Tatsache, dass der Zinssatz sicher ist, und Garantien sind Dinge, die sich in Deutschland größter Beliebtheit erfreuen, und dafür gehen Deutsche kilometerweit - auch wenn der Preis hoch ist.
Im vorliegenden Fall kommt ein Gesichtspunkt ins Spiel, der vielen Eigenheimern nicht bewusst ist. Der Abschluss des Bausparvertrages führt zu weiteren Zahlungen. Die Vertragssumme von 165.000 Euro fordert 84 Sparraten zu 1000 Euro und 96 Tilgungen zu 964 Euro. Das heißt im Klartext, dass der Eigenheimer bis zum Zinsbindungsende der Hypothek in sieben Jahren zusätzlich 1000 Euro pro Monat auf den Tisch blättern muss. Treffender ist vielleicht der Hinweis, dass der Anleger kein armer Schlucker sein darf. Er muss sich die Zusatzraten leisten können.
Wenn die weiteren Raten kein Problem sind, ändert sich aber die Struktur der Finanzierung. In den nächsten sieben Jahren steigen die Monatsraten von 1500 auf 2500 Euro, danach sinken die Monatsraten von 1500 auf 964 Euro, und in 15 Jahren sind die Schulden vom Tisch. Das mag erstrebenswert sein. Nur rücken jetzt Fragen in den Vordergrund, die in der Regel kaum gestellt werden. Die erste Frage lautet, ob die zusätzliche Belastung von 1000 Euro tatsächlich tragbar ist, und die zweite Frage lautet, warum für dieses Vorhaben ein Bausparvertrag notwendig ist.

Erhöhung laufender Raten ist in der Regel leichter umsetzbar

Wenn die weiteren Raten wirklich kein Problem sind, liegt es auf der Hand, die zusätzlichen Zahlungen in den alten Vertrag zu stecken. Dreh- und Angelpunkt ist der Zinswechsel in sieben Jahren. Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wird bei gegebener Laufzeit der kritische Anschlusszins berechnet. Oder es wird bei gegebenem Zinssatz die restliche Laufzeit ermittelt. Im ersten Fall darf die Verlängerung bis zu 8,7 Prozent pro Jahr kosten, und im zweiten Fall verkürzt sich die Laufzeit um anderthalb Jahre, wenn der Anleger - wie im ersten Fall - mit einem Folgezins von 4 Prozent rechnet.
Die beiden Werte sind Wasser auf die Mühlen aller Menschen, die Bausparverträge mit gemischten Gefühlen betrachten, und die Einwände sind in der Tat berechtigt. Bausparverträge sind exzellente Verträge, wenn es um den Bau oder Kauf von Eigenheimen in der Zukunft geht. Wenn der Traum aber schon verwirklicht worden ist, wenn die Menschen - auf gut Deutsch gesagt - schon am Kredittropf der Banken hängen, sind weitere Bausparverträge in vielen Fällen ein Albtraum. Es ist und bleibt fragwürdig, in einem Zeitraum, in dem Sollzinsen von 4,5 Prozent fällig sind, monatlich Geld in eine Anlage zu stecken, deren Rendite zwischen 1 und 2 Prozent liegt. Das kann einfach nicht klappen.
In solchen Lebenslagen ist es zweckmäßiger, die bestehende Tilgung der Hypothek zu erhöhen. Das wird in Banken, das liegt in der Natur der Sache, keine Begeisterung auslösen, aber die Erhöhung laufender Raten ist in der Regel leichter umsetzbar als der Tausch von Krediten. In vielen Fällen wird die neue Rate ohne Kosten akzeptiert, und selbst wenn eine Gebühr von 1000 oder 2000 Euro anfällt, sollten die Privatleute über diese Kosten nicht die Nase rümpfen. Auch beim Bausparen fällt eine Abschlussgebühr in Höhe von 1 Prozent der Vertragssumme an, und der neue Bausparvertrag ist, auch wenn es viele Leute nicht hören wollen, mit hoher Wahrscheinlichkeit die schlechtere Lösung.